Was heißt eigentlich “geboostert” ?

In der Neufassung der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung werden Erleichterungen für “Geboosterte” eingeführt. Ganz unabhängig vom Sinn dieser Maßnahme ist nicht ganz klar, was der Status “geboostert” eigentlich bedeutet und es ist fatalerweise tatsächlich aktuell unmöglich, diesen durch Vorlage eines digitalen Impfzertifikats zu überprüfen.

Die aktuelle Fassung der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung definiert “geboostert” als

geimpfte Personen im Sinne des § 2 Nr. 2 SchAusnahmV die zusätzlich eine weitere Impfstoffdosis als Auffrischungsimpfung erhalten haben nach Ablauf von 14 Tagen nach dieser Impfung, soweit nicht bundesrechtlich anderes geregelt ist

Fünfzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 14. Dezember 2021, §4, Absatz 7, Nr. 4 [1]

was eine geimpfte Person ist, regelt wiederum die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung

eine geimpfte Person [ist] eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Impfnachweises ist

SchAusnahmV §2 [2]

Was die Ausstellung des Impfnachweises angeht, verweist dann §3 auf die Richtlinien des Paul-Ehrlich-Instituts zum Impfnachweis [3]. Diese sind durchaus komplex und setzten zum Verständnis medizinisches Vorwissen voraus, das wir vom Kontrollierenden nicht zwingend erwarten sollten.

Der mit erheblichen finanziellen Aufwand eingeführte digitale Impfausweis [4] kennt keinen Status “geboostert”.
Das digitale Impfzertifikat beinhaltet Informationen zur geimpften Person, dem verwendeten Impfstoff nebst Hersteller, eine Angabe zur Anzahl der Impfungen (beispielsweise “2 of 2”) und das Impfdatum. Diese Daten werden digital vom Zertifikatsherausgeber (in Deutschland dem RKI) signiert und erhalten mit der Signatur eine Gültigkeitsangabe (“gültig von” und “gültig bis”). Auffrischimpfungen sind durchaus vorgesehen, die zugehörigen Zertifikate gelten aber ab dem Tag der Impfung für ein Jahr und nicht, wie für den “geboostert” Status gefordert, 14 Tage nach der Impfung.

Was insbesondere nicht im digitalen Impfzertifikat enthalten ist, sind Angaben zu vorangegangenen Impfungen, und genau diese wären zur Prüfung des “geboostert” Status gemäß obiger Verordnung zwingend nötig. Diese Angaben “nachzurüsten” ist technisch schwierig, hierzu müsste der technische Standard für digitale Impfzertifikate europaweit angepasst und sämtliche ausgestellten Zertifikate (einige Millionen mit geschätzten Kosten von 5-20€ pro Zertifikat) neu ausgegeben werden.

Die Präsentation des digitalen Impfzertifikats ist ausdrücklich formfrei, in den entsprechenden Richtlinien heißt es nur, das selbige beispielsweise durch die Covid Warn App oder die CovPass App des RKI erfolgen kann, nicht muss. Genauso gültig ist bedrucktes Papier in verschiedenen Formen, der QR-Code als PNG Bild auf dem Mobiltelefon, ein mit dem QR Code bedrucktes T-Shirt oder auch ein entsprechendes Tattoo.

Die gemäß Spezifikation einzig valide Möglichkeit zur Überprüfung eines digitalen Impfzertifikats ist die Verwendung einer entsprechenden Scan-App mit Zertifikatsprüfung einschließlich Überprüfung einer etwaigen Zertifikatssperrung. Hierzu wird hauptsächlich die vom RKI herausgegebene CovPass Check App [5] verwendet.

Diese zeigt spezifikationsgemäß nur den Gültigkeitstatus des Zertifikats sowie Name und Geburtsdatum des Inhabers an und damit ist der “geboostert” Status mit digitalen Zertifikaten und der CovPass Check App aktuell nicht prüfbar. Das ist leider tatsächlich so.

Um den “geboostert” Status in Zukunft digital überprüfen zu können müsste als Minimalanforderung

  • die CovPass Check App zusätzlich das Datum der Impfung anzeigen
  • der “Geboosterte” immer zwei Zertifikate zum Scan vorlegen, zuerst das Booster-Zertifikat, anschließend das ursprüngliche, dass ihn als geimpft ausweist. Der Prüfende müsste dann Kopfrechnen, ob seit dem Booster-Zeitpunkt bereits 14 Tage vergangen sind, gültig ist es ja seit der Impfung, weiterhin müsste er prüfen, ob zwischen den Impfungen in beiden Zertifikaten ein ausreichender Zeitabstand liegt.
  • Bei der Überprüfung des ursprünglichen Impfzertifikats stellt sich das Zusatzproblem, dass dieses abgelaufen und damit ungültig sein kann. Das passiert demnächst für die ersten ausgestellten Zertifikate mit Impfung im Dezember 2020. Geboostert im Sinne obiger Verordnung ist der Inhaber nach einer Auffrischimpfung trotzdem. Die CovPass App müsste also bei Doppel-Scans zusätzlich einen Status “signiert, aber inzwischen ungültig” anzeigen können.

Automatisieren ließe sich dieser Vorgang dahingehend, dass

  • die CovPass Check App bei allen Drittimpfungszertifikaten (“3 of 3”), bei denen der Impfzeitpunkt länger als 14 Tage zurückliegt, automatisch “gültiges Boosterzertifikat” anzeigt
  • Für Geboosterte mit nur einer oder zwei Impfungen (Genesene mit Auffrischimpfung und Johnson&Johnson Geimpfte) funktioniert das nicht [6][8], hier müssen zwangsläufig mehrere Zertifikate gescannt werden.
    Hier könnte die CovPass Check App technisch um eine Funktion zum Scannen eines zusätzlichen Impf-Zertifikats nach dem gültigem Scan eines Boosterzertifikats erweitert werden. Die App müsste dann prüfen, ob das Booster-Zertifikat einen Impfzeitpunkt mit ausreichendem Abstand zum Impf-Zertifikat ausweist und seit der Booster-Impfung die geforderten 14 Tage vergangen sind. Das zusätzliche Impfzertifikat müsste zudem akzeptiert werden, wenn es signiert, aber bereits abgelaufen ist.

Die vorgeschlagenen Funktionen sind in der CovPass Check App aktuell nicht implementiert, damit bleibt es dabei, dass eine Überprüfung des Booster Status für digitale Impfzertifikate aktuell nicht möglich ist.

Die oft praktizierte Variante, sich bei der Kontrolle die Detaildaten der einzelnen Impfungen in der CovPass App anzeigen zu lassen, widerspricht ganz massiv der erforderlichen Datensparsamkeit, die CovPass App warnt hiervor ausdrücklich

Meistens wird bei der Gelegenheit dann gar nicht gescannt, der Kontrollierende vertraut auf die angezeigten Textdaten. Wie bereits in diesem Blog dargelegt, macht die Prüfung ohne Scan genau soviel Sinn, wie sich den ebenfalls nötigen Personalausweis zur Prüfung ans Ohr zu halten. Die Textinformationen, die angezeigt werden sind rein informativ und nicht Bestandteil des digitalen Impfausweises. Damit müssen sie nicht korrekt sein, der Tatbestand der Fälschung eines Gesundheitszeugnisses dürfte bei Fehlangaben im Text nicht erfüllt sein, da das eigentliche Gesundheitszeugnis der QR-Code ist, und selbiger gar nicht gefälscht werden kann. Es gibt diverse Möglichkeiten einen “geboostert”-Status durch Textangaben vorzugaukeln:

  • Der Quellcode der CovPass App ist Opensource, es ist eine Kleinigkeit, eine modifizierte CovPass App zu erzeugen, die in den Textdaten der Detailansicht immer ein drittes Impfzertifikat mit dem QR-Code der Zweitimpfung und fiktivem Impfdatum anzeigt
  • Wer programmiertechnisch nicht so bewandert ist lässt, lässt sich einfach eine Scheckkarte mit dem QR-Code der Zweitimpfung, Namen und Geburtsdatum, dem Text “Impfung 3 /3” und einem fiktiven Booster-Datum drucken, es gibt jede Menge Druckereien die das gerne für ein Butterbrot machen

Der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhard hat den Wegfall der Testpflicht für Geboosterte scharf kritisiert [7]. Es würde einfach angesichts der aufkommenden Omikron-Variante jegliche Evidenz fehlen, die die Maßnahme begründet. Damit hat er völlig recht.

Dass die Maßnahme zu einem Zeitpunkt kommt, an dem sie mit digitalen Impfzertifikaten gar nicht umsetzbar ist, zeigt, wieviel Aktionismus und Populismus ganz generell in der aktuellen Corona-Politik mitschwingt.


[1] Verordnung zur Änderung der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 14. Dezember 2021
https://www.verkuendung-bayern.de/baymbl/2021-875/

[2] COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV
https://www.gesetze-im-internet.de/schausnahmv/__2.html

[3] Impfnachweis im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung
http://www.pei.de/impfstoffe/covid-19/

[4] Digitaler Impfnachweis: Technical Documentation
https://github.com/Digitaler-Impfnachweis/documentation

[5] RKI CovPass Check App
https://play.google.com/store/apps/details?id=de.rki.covpass.checkapp

[6] Badische neueste Nachrichten – Geboostert ohne Nachweis
https://bnn.de/nachrichten/deutschland-und-welt/corona-booster-impfzertifikat-experten-fehler-covpasscheck-app-genesene-johnson-2g-plus-bedingungen

[7] Deutschlandfunk, Impfstoffe und Testpflicht
https://www.deutschlandfunk.de/interview-klaus-reinhardt-zu-impfstoffmangel-100.html

[8] Die von Apotheken und Ärzten teilweise in der Praxis angewandte Methode, hier das Booster-Zertifikat auch als “3 of 3” Zertifikat zu erstellen (was technisch möglich ist) erfüllt streng genommen wohl den Tatbestand der Fälschung eines Gesundheitszeugnisses.


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